Vorschau auf Modul 2: Die Umsetzung
In unserem Kurs Öffentliche Innovation Neu Denken erkunden wir in drei Modulen, was es bedeutet, einen neuen Blick auf öffentliche Innovation zu werfen, und darauf, wie es uns gelingt, Veränderung effektiv, langfristig und systemisch zu gestalten.
In Modul 2 legen wir den Schwerpunkt auf das WIE: Wenn denn Komplexität allgegenwärtig ist in unserer Arbeit, wie gehen wir dann produktiv damit um? Von welchen Ansätze, Methoden und Instrumenten können wir lernen? Und wie wenden wir diese an, um bestehende Initiativen zu analysieren, um sie auf ihre Effektivität hin abzuklopfen oder unsere eigenen (neu) zu gestalten?
Wir wollen gemeinsam verstehen, wie wir Interventionen gestalten, die näher an der komplexen Realität ausgerichtet sind anstatt durch simplistische linear-kausale Modelle uns selbst eine Illusion vollständiger Kontrolle über unser Handeln und Wirken in sozialen Systemen vorzugaukeln.
Denn zu einem Neu-Denken von öffentlicher Innovation gehört auch ein Neu-Machen.
Dieses Wie erkunden wir in Modul 2 anhand der folgenden drei Fragen:
1. Wie können wir mit Komplexität anders umgehen?
Unser Umgang mit Komplexität im Bereich der öffentlichen Innovation ist oft von unreflektierter Reduktion geprägt. Sinnbildlich dafür steht das Projekt. Es ist zu unserem bevorzugten Vehikel geworden, um gesellschaftliche, soziale und ökologische Veränderungen voranzutreiben. Dabei steht das Projekt als Stellvertreter für eine Logik, die Veränderung in klassischen Input-Output-Outcome Wirkungsmodellen denkt – mit klaren Anfang und eindeutigem Ende.
Das ist problematisch. Denn nur weil wir etwas in einer Projektlogik verpacken, spiegelt es noch lange nicht die Realität wider. Es macht diese zwar handhabbar, aber immer zum Preis einer künstlichen Vereinfachung. Das Projekt ist damit ein “certainty artifact”:
“Our response to complexity is to create ‘certainty artifacts’ that translate uncertainty into something that we can do something about, for example an organogram, a logical framework, a project document. There is nothing necessarily wrong with it until we start giving it more energy and more life than it is. It's an artifact. That's all it is. There are non-complex things in complex situations, the problem is that the pendulum has swung so far to one side that we shy away from a context of not-knowing and run away from it to reduce uncertainty.”
Aus unserem Gespräch mit Millie Begovic
Wir wollen demgegenüber ein anderen Umgang mit Komplexität erkunden. Einen, der nicht auf die Reduktion von komplexen Herausforderungen verzichtet. Aber dabei reflektiert, wann, wo, und wie gefiltert wird. Denn dann können complexity artifacts wirklich hilfreiche Instrumente sein, uns die Welt zu erschliessen.
Es geht also um eine Balance zwischen Vereinfachung und Veränderung.
Wie kann das konkret aussehen?
2. Welche Methoden und Instrumente gibt es und welche sollten wir nutzen?
Um das zu beantworten, beleuchten wir, welche Methoden und Instrumente es gibt, um Komplexität besser abzubilden, und wie erfolgversprechend Interventionen und Investments in Infrastruktur und Ökosysteme sind.
Wir hangeln uns dabei an folgenden grösseren Themenbereichen entlang:
Von Funneling zu Layering
Allzu oft setzen Organisationen noch immer auf Innovationsmethoden, die auf Ausschluss von potentiellen Lösungen setzen (“selection by elimination”). Oft, um nach mehreren Runden der Iteration, der Auswahl und der Bewertung durch Expert:innen die eine Lösung zu finden. Doch wie die Kolleg:innen um Gina Belle von CHÔRA (unser Gast in Modul 3) ausführlich beschreiben, setzen diese Methoden auf kurzfristige Effekte. Sie schränken mögliche (positive) Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Interventionen ein und verhindern eine breite und robuste Wirkung durch Veränderungen an verschiedenen Stellen eines Problembereichs.
Stattdessen braucht es eine Reihe von parallelen und vernetzten Lösungsansätzen ("layering" statt "funneling"), die auf lange Zeithorizonte angelegt sind, organisch wachsen und sich gegenseitig verstärken. Diese Ansätze erhöhen den Optionsspielraum, sie erweitern die Chancen auf neue Eigendynamiken – und laufen damit erst einmal konträr zu den intuitiven Strategien unserer Organisationen. Wie das trotzdem klappen kann und worauf wir dabei achten müssen, erkunden wir gemeinsam.
Skalierung neu denken
Ähnlich verhält es sich mit der Skalierungsfrage. Gerade im öffentlichen Kontext ist es oft gewünscht, einmal Bewährtes an anderen Orten und unter anderen Umständen zu replizieren. Dass dies in den seltensten Fällen funktioniert, wird dabei genauso oft dokumentiert wie ignoriert.
Warum ist das so?
Noch immer setzen die meisten Skalierungsansätze auf die Logik von Erfolgsgeschichten (einzelner) Start-ups, die es geschafft haben, in kurzer Zeit enorm zu wachsen (zu skalieren). Wir erörtern, warum wir glauben, dass solche bestehende Skalierungsmodelle für öffentliche Systeme zu eng definiert und zu zeitintensiv sind. Und wir besprechen, welche anderen Perspektiven auf Skalierung es gibt (scaling deep, out, und up) – oder ob es vielleicht eine komplette Abkehr von der Skalierungs-Idee braucht.
Missionen als Innovationsvehikel
Während unter einer wachsenden Zahl von Akteuren Einigkeit darüber besteht, dass die klassischen Ansätze für öffentliche Innovationsprozesse einfach nicht (mehr) zeitgemäß sind, gibt es weniger Konsens darüber, wie die Alternativen aussehen könnten. Von den vielen Ansätzen, die in den letzten Jahren entwickelt wurden, schauen wir uns daher zwei genauer an: Missionen und Portfolios.
Missionen dienen als Ansatz zur Bewältigung von Problemen von breiter gesellschaftlicher Relevanz, wie die Klimaneutralität von Städten, plastikfreie Gewässer oder die Sicherheit im Personenverkehr (Vision Zero). Sie sollen eine klare Richtung aufzeigen, sektorübergreifend ausgerichtet sein und mit einem konkreten Ziel und messbaren Indikatoren ausgestattet sein.
Anstatt auf einzelne Lösungswege zu setzen, fördern Missionen also bewusst verschiedene, parallel laufende Interventionen. Sie sind dabei sehr klar bei der Formulierung des Ziels – und explizit offen bei den Wegen, wie diese Ziel erreicht werden kann. Damit nutzen sie das dezentrale Kreativpotential eines Ökosystems bei gleichzeitiger Vorgabe einer gemeinsamen Intention.
Systemische Portfolios verstehen
In diesem Zusammenhang können Missionen und Portfolios mitunter komplementär sein, da letztere auch als ein Instrument zur Umsetzung von Missionen eingesetzt werden. Grundsätzlich aber gilt:
Es gibt viele verschiedene Arten von Portfolios im Bereich der öffentlichen Innovation. Wir werden uns in Modul 2 einen Überblick verschaffen und uns vertieft mit den Arten und Funktionsweisen von systemischen Portfolios auseinandersetzen – auch “Portfolios of System Transformation Options” genannt.
Systemische Portfolios sind ein Netzwerk aus parallelen Lösungsansätzen, die auf lange Zeithorizonte angelegt sind, organisch wachsen und sich gegenseitig verstärken. Diese Interventionen (oder auch Optionen) müssen auf das komplexe Problem ausgerichtet sein, miteinander in Beziehung stehen und im Laufe der Zeit voneinander lernen.
Uns ist dabei wichtig, ein Gefühl für die Logik dieser neuen Innovationsansätze zu entwickeln. Dafür tauchen wir tief in unterschiedliche Methodiken ein – und reflektieren diese gemeinsam anhand konkreter Beispiele.
3. Was braucht es um öffentliche Innovation neu zu gestalten?
In Innovations- und Transformationsprozessen geht es um mehr als nur die Gestaltung einzelner Initiativen, ob nun als Missionen oder Portfolios. In Modul 2 werden wir daher auch beleuchten, welche neuen Kompetenzen und internen Logiken unsere Organisationen brauchen, um selbst Teil einer Veränderung zu werden. Das umfasst Aspekte von Implementierung, Evaluation und Organisationsstrukturen:
Diese hängen eng mit der Frage unseres Wirkungsverständnisses zusammen, das wir bereits an anderer Stelle mit Wirkung als Prozess beschrieben haben. Wenn es um öffentliche Innovation geht, bewegen wir uns in lebendigen, adaptiven und sozialen Systemen. Die Wirkungen unserer Intervention sind in solchen Situationen nur äußerst schwer zu bestimmen und schon gar nicht zweifelsfrei einer einzelnen Aktivität zuzuordnen.
Hier verweisen viele MEL-Expert:innen auf die zentrale Rolle von Lernen und Adaption bei der Wirkungsmessung. Denn Lernen ist ein kontinuierlicher Prozess unter sich verändernden Bedingungen und Umgebungen. Nur Lernen ermöglicht ein Neudenken unserer Interventionen mit dem Ziel der Wirkung, also der Veränderung auf verschiedensten Ebenen eines Systems. Wir lernen also unseren Weg in eine unbekannte Zukunft.
Dieses Lernen wird sehr schnell seht tiefgreifend für eine Organisation. Wir beschäftigen uns daher auch mit notwendigen Kompetenzen und Fähigkeiten für die Umsetzung dieser neuen Methoden und Instrumente (siehe u.a. den Entwurf des UNDP Kompetenzframeworks) sowie mit den Anforderungen an Organisationsstrukturen jenseits von traditionellen, hierarchischen Strukturen im Sinne von flexiblen, netzwerkartigen Strukturen.
Fallstudien und Expertenwissen
In Modul 2 werden wir uns auch wieder mit praktischen Beispielen systemischer Innovation auseinandersetzen. Dieses Mal geht es aber weniger um einen Überblick über verschiedene Initiativen wie in Modul 1. Vielmehr werden wir einzelne Fälle genauer analysieren, um daraus für die eigene Arbeit und praktische Anwendung der Methoden und Instrumente zu lernen.
Besondere Einblicke in die Praxis von Missionen erhalten wir dabei von unserem Gast Nadim Choucair von Dark Matter Labs. Er arbeitet mit Städten bei der Entwicklung und Umsetzung systemischer Innovationen auf dem Weg zur Klimaneutralität im Rahmen des NetZeroCities Programms. Als Host des Podcasts "Curiosity That Matters" und Gründer von Cabinet Collective verbindet er zudem theoretisches Wissen mit praktischer Transformationsarbeit.
Wir freuen uns darauf, in Modul 2 tief in die Praxis der öffentlichen Innovationsarbeit einzutauchen.
Wie es in Modul 3 weiter geht, erläutern wir im nächsten Post.
Bis dahin ist noch Zeit sich anzumelden!