Vorschau auf Modul 3: Die Reflexion

Posted by Simon Höher and Andi Pawelke
— 4 min read
Vorschau auf Modul 3: Die Reflexion

Lernen lernen

In unserem Kurs "Öffentliche Innovation Neu Denken" erkunden wir in drei Modulen, wie wir einen neuen Blick auf öffentliche Innovation werfen können. Gemeinsam entdecken wir Wege, Veränderung systemisch zu gestalten und nachhaltig zu verankern.

In Modul 3 widmen wir uns dem Herzstück von öffentlicher Innovation: dem Lernen. Uns interessiert ein strategischer Umgang mit (Projekt-)kontexten, in denen wir gar nicht wissen können, was gerade die beste Lösung ist. Wir wollen wissen, wie wir in unserer Arbeit Rahmenbedingungen so aufsetzen, dass sie uns ermöglichen, auch in alten Strukturen wirklich neu zu handeln. Und wir fragen uns, welche Fähigkeiten es eigentlich braucht, um neue Fähigkeiten zu erlernen.

Warum halten wir Lernen für so zentral für öffentliche Innovation? Weil es uns vor allem darum geht, ein besseres Verständnis von Veränderungsprozessen zu entwickeln, das es uns wiederum erlaubt, wirkungsvolle Interventionen zu gestalten. Dabei verstehen wir “Lernen” nicht als einen transaktionalen, linearen Prozess, bei dem Wissen von A nach B vermittelt wird. Vielmehr begreifen wir Lernen als einen kollektiven Vorgang der Selbstveränderung, als kontinuierliches Anpassen entlang unserer Erwartungen und Modelle der Welt. 

Lernen ist zwar allseits beliebt – bei genauer Betrachtung jedoch alles andere als einfach. Denn es hat auch etwas mit Scheitern zu tun. In unseren Organisationen und Verwaltungen besteht selten die Notwendigkeit, wirklich zu lernen, also Dinge anders zu machen. Wir orientieren uns stattdessen gerne an sogenannten “best practices”, an vorab entschiedenen Rahmenbedingungen oder intern gut mess- und vertretbaren Indikatoren. 

All das kann recht lange gut gehen, ohne dass wir wirklich neu handeln müssen – es ist sogar selbstverstärkend, denn solange wir bei diesen bewährten Taktiken bleiben, schaffen wir selbst beständig die Präzedenzfälle, an denen wir uns dann orientieren. Herbert Simon bringt es auf dem Punkt:

„What we call ‘final’ goals are in fact criteria for choosing the initial conditions that we will leave to our successors.“ 

Wie können wir neue ‘initial conditions’ schaffen?

Wenn wir jedoch echte Veränderung kultivieren wollen, müssen wir Lernen auch tatsächlich als Herzstück von Innovations- und Transformationsprozessen positionieren. Lernen ist damit nicht  ein Instrument für Veränderung, sondern Lernen selbst ist Veränderung und wird damit zum integralen Teil von Veränderungsprozessen: vom Erkunden der bestehenden Dynamiken über das Experimentieren und Testen bis hin zur Anpassung unserer Handlungen.

Tricky wird es immer dann, wenn unsere vormals formulierten Erwartungen und Routinen nicht mehr greifen – oder wir uns eingestehen, dass das nicht mehr der Fall ist. Dann entscheidet sich, ob wir lernen oder trotzdem bei unseren Erwartungen bleiben. Dieser Umgang mit Enttäuschungen ist es, der unsere Organisationskultur ausmacht: Anpassen (also Lernen) oder Beibehalten (also Re-Stabilisieren). Überraschenderweise tendieren unsere Organisationen klassischerweise eher zum Prinzip Beibehalten, während wir etwa aus der Wissenschaft oder Wirtschaft die Logik der Anpassung kennen.

Wenn wir über das Lernen in der Öffentlichen Innovationsarbeit sprechen, geht es also letztlich um einen Kulturwandel, der anders mit enttäuschten Erwartungen umgeht. Wie immer sollten wir dabei nicht das Kinde mit dem Bade ausschütten, denn die genannte Stabilisierungsfunktion ist ja oftmals genau das, wozu wir unsere Verwaltungen ursprünglich geschaffen haben.

Was heißt das nun konkret für unsere Arbeit?

Um das zu beantworten, starten wir mit einem tiefen Blick in die Praxis:

Sensemaking in der Praxis

Gina Belle von CHÔRA wird uns an Tag 1 begleiten und konkrete Einblicke in ihre Arbeit mit Portfolios of (Learning) Options geben. Dabei wird es neben methodischen Aspekten wie dem Dynamic Management Protocol und das Sensemaking and Acceleration Protocol als Instrumente für kontinuierliches Lernen vor allem um viele Erfahrungen aus der Umsetzung gehen: Wie arbeitet man eigentlich lern-orientiert in einer Organisation, die das selbst erst lernen muss? Welche konkreten Strategien und Frameworks gibt es, um das selbst einzuführen und auszuprobieren? Und auf welche Widerstände müssen wir uns gefasst machen, wenn wir lern-orientiert arbeiten wollen? Wir freuen uns auf einen spannenden Input und vor allem eine gemeinsame Diskussion mit Gina.

MEL 2.0

Anschließend schauen wir uns einige Facetten aus der Arbeit an, in denen Lernen ganz explizit eine Rolle spielt. MEL, Monitoring, Evaluation, and Learning etwa ist ein zentrales Element für viele Projekte, die sich mit Innovationsprozessen auseinandersetzen. Der Dreischritt aus Beobachten (also Daten sammeln), Bewerten (also Daten Interpretieren) und Lernen (also Anpassen), ist dabei genauso einfach wie herausfordernd. Denn auch hier gilt jedoch schauen wir genau hin entdecken wir auch hier die bekannten 'certainty artifacts': So sicherheitsspendend ein etabliertes Framework zum Lernen ist, so problematisch wird es, wenn wir genauer hinschauen:

Welche Daten gelten wann, wenn es ums Monitoring geht? Und wer entscheidet das wann? Wie bewerten wir neu, wenn wir neu handeln wollen? Wie gehen wir mit all den strukturellen Herausforderungen von Wirkungsmessung und Evaluation (tldr: it’s complicated) um? Und wann gilt es zu lernen (also anzupassen) und wann ist Stabilität das Gebot der Stunde? Letzteres ist eine recht klassische Frage beim Aufbau eines jeden Start Ups: Pivot oder Persevere?

Anders gefragt: Welche wichtigen Erkenntnisse ermöglicht uns ein klassisches MEL-Framework zu lernen – und welche verbaut es uns strukturell?

Neue Fähigkeiten

All das hat sehr viel mit den Fähigkeiten und Kapazitäten unserer eigenen Organisationen zu tun. Wie wir an anderer Stelle geschrieben haben geht es dabei um:

  • Fähigkeiten zur Bereitstellung, Verbindung, Entwicklung und Vernetzung von materiellen und immateriellen Ressourcen. Dies können politisches Kapital, interne Sensibilisierungsfähigkeiten, eine ausgefeilte Daten- und Monitoringebene oder gut vernetzte und vielfältige interne Organisationsstrukturen sein.
  • Neue Organisationsformen und interorganisationale (hybride) Allianzen, die strukturell in der Lage sind, neue Formen der Innovationsarbeit wie z.B. systemische Portfolios zu implementieren und dabei die Komplexität unserer Arbeit (aus) zu halten.
  • Neue Rollen in unseren Verwaltungen, neue Rahmenbedingungen unserer Ausschreibungen, neue Arten von (künstlichen?) Akteuren in unseren Ökosystemen, neue Formen von Wirkung und Prozessen, auf die unsere Arbeit abzielt.

Wir freuen uns sehr darauf, diese Themen genauer zu erkunden und dann vor allem viel Raum für die gemeinsame Reflexion zu schaffen. Auf gewisse Weise tun wir damit das, was wir selbst predigen: Wir lernen, gemeinsam zu lernen – indem wir neue Erkenntnisse, Überraschungen und vielleicht sogar Frustrationen teilen und produktiv machen.

Es gibt übrigens noch Plätze – also schnell anmelden und mitlernen!